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Bericht zur 12. Rheinischen Gesellschaftsrechtskonferenz

Die 12. Rheinische Gesellschaftsrechtskonferenz fand am 30. Juni 2016 in Düsseldorf statt. Die Rheinische Gesellschaftsrechtskonferenz ist eine gemeinschaftliche Veranstaltung des Instituts für Gesellschaftsrecht der Universität zu Köln, des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und des Instituts für Unternehmensrecht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. In diesem Jahr luden die Direktoren des Düsseldorfer IUR, Herr Prof. Dr. Ulrich Noack und Herr Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale), zur 12. Auflage der Konferenz nach Düsseldorf ein.

Prof. Dr. Ulrich Noack durfte 150 Teilnehmer im Haus der Universität in der Düsseldorfer Innenstadt begrüßen, die den Saal bis auf den letzten Platz füllten. Die Teilnehmer erwartete ein dreigeteiltes Programm, bestehend aus einem wissenschaftlichen Blick auf die „Verantwortung des Unternehmens“, gefolgt von Berichten aus der anwaltlichen, unternehmerischen und staatsanwaltschaftlichen Praxis zur Durchführung „interner Ermittlungen“ und abgeschlossen mit einer Analyse aktueller Entscheidungen des OLG Düsseldorf.

Den Auftakt machte Prof. Dr. Kersting, LL.M. (Yale). Sein Vortrag stand unter dem Titel „Haftung des Konzerns?“, wobei er im Laufe des Vortrags das Fragzeichen für den Bereich des Kartellrechts in ein Ausrufezeichen umschrieb. Zunächst führte er in das nationale Konzernrecht ein und stellte fest, dass eine Haftung des Konzerns nicht in Betracht kommt. Dem gegenüber stellte er die Behandlung eines Unternehmens im Europäischen Kartellrecht. Danach ist der Konzern Pflichtenadressat und nach der Rechtsprechung des EuGH auch Haftungsadressat. Diesen Bruch mit dem nationalen Rechtsverständnis versuchte Professor Kersting in der Folge aufzulösen.

Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass das nationale Recht nicht alle Fälle erfasst, die das Unionskartellrecht aufgreift. Aufgrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes sei die Übernahme der unionsrechtlichen Konzernhaftung im Kartellrecht in das nationale Recht geboten. Erste vorsichtige Schritte einer Übernahme wies er sodann im Referentenentwurf zur anstehenden 9. GWB-Novelle nach, kritisierte aber auch, dass der Entwurf zu kurz greife. Eine Übertragung in das nationale Rechtssystem ließe sich am besten durchführen, wenn man die wirtschaftliche Einheit für das Kartellrecht als Außen-GbR verstehe.

Diesen Gedanken übertrug Professor Kersting schließlich auf das Kartellzivilrecht. § 33a Abs. 1 GWB-Referentenentwurf adressiere mit dem Tatbestandsmerkmal „Wer“ das Unternehmen, verstanden als wirtschaftliche Einheit rechtlich selbständiger Personen, und begründe dessen Schadensersatzhaftung. Dies setze Handlungsfähigkeit und (Teil-)Rechtsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheit voraus. Diese Voraussetzungen erfülle eine Außen-GbR. Der Verstoß der Tochter werde dem Konzern nach § 31 BGB zugerechnet. Alle Träger der wirtschaftlichen Einheit hafteten wiederum nach § 128 HGB analog. Abschließend betonte Professor Kersting, dass die von ihm skizzierte Konzernhaftung auf den Bereich des Konzernrechts beschränkt bliebe.

Der gesamte Vortrag kann undefinedhier in der Mediathek der Heinrich-Heine-Universität abgerufen werden.

Es schloss sich der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Marc-Philippe Weller, Universität Heidelberg, an, der sich mit der „Wissenszurechnung im Unternehmen“ befasste.

Einführend stellte Professor Weller prominente Fälle von Doppelmandatsträgerschaften auf Aufsichtsrats- und Vorstandsebene dar, auf die er immer wieder Bezug nahm. Eine in diesen Fällen virulente Wissenszurechnung im Unternehmen sei gesetzlich nicht geregelt. § 166 BGB, § 31 BGB und auch § 78 Abs. 2 S. 1 AktG versagten jeweils aus unterschiedlichen Gründen. Sodann stellte Professor Weller die Lösungsansätze in Rechtsprechung und Schrifttum vor. Die Organtheorie, die zu einer absoluten Wissenszurechnung führt, sei von einem wertenden Konzept der Wissensorganisation abgelöst worden. Dieses konstituiere eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation und sei an der rechtlichen Gleichstellung der juristischen mit den natürlichen Personen orientiert. Letzteres erweitere, beschränke aber auch die Wissenszurechnung im Unternehmen.

Der normative Ansatz erlaube es schließlich auch, Grenzen der Wissenszurechnung zu bestimmen, die Professor Weller besonders betonte. Dazu stellte er die entwickelten Fallgruppen vor, präzisierte und bewertete sie.

Professor Weller nutzte diese Vorarbeiten schließlich, um Anforderungen an eine Knowledge Governance in der Praxis zu skizzieren. Diese müsse nicht nur ein System der Wissenserhebung, ‑weiterleitung und ‑abrufung etablieren, sondern müsse auch die Grenzen der Wissenszurechnung in den Blick nehmen und entsprechende Vorkehrungen zu deren Absicherung ergreifen. Professor Weller schlug vor, die genaue Ausgestaltung an die in anderen Rechtsgebieten entwickelten Grundsätzen zur Lösung von Interessenkonflikten und der deliktischen Produktsicherung, namentlich des Corporate Governance Kodex und der Produktsicherheit, auszurichten.

Auch dieser Vortrag kann undefinedhier angesehen werden.

Im Anschluss an die beiden ersten Vorträge entfachte sich eine intensive Diskussion mit dem Publikum.

Im Anschluss an eine Kaffeepause leitete Professor Noack zum zweiten Teil der Veranstaltung über, der unter dem Stichwort „interne Ermittlungen“ die Aufarbeitung eines Compliance-Falles durch Unternehmen, Beratung und Staatsanwaltschaft zum Gegenstand hatte. Aus ihrer Praxis berichtete zunächst Frau Rechtsanwältin Dr. Vivien Veit, Kapellmann Rechtsanwälte. Einleitend stellte Dr. Veit einen typischen Korruptionsfall in der Praxis dar. Ausgehend von der Neubürger-Rechtsprechung entwickelte sie daran die Pflichten des Unternehmens bei Verdachtsmomenten. Zudem analysierte Dr. Veit die Maßnahmen der E-Mail-Sichtung und der Mitarbeiterbefragung und behandelte beispielhaft die rechtlichen Probleme und Konfliktfelder in der externen rechtlichen Beratung.

Diese Ausführungen griff Herr Thorsten Lubba, LL.M., Compliance Officer bei der thyssenkrupp AG, auf, um die Prozesse interner Untersuchungen aus Unternehmenssicht vorzustellen. Ausgehend von der Compliance-Struktur der thyssenkrupp AG stellte Lubba das Vorgehen im Unternehmen bei Hinweisen auf Complianceverstöße in chronologischer Reihenfolge dar. An den Anfang stellte er dabei die oft anonym und in kryptischer Form eingehenden Hinweise. Auch Lubba fächerte das große Spektrum rechtlicher Probleme von Ermittlungsmaßnahmen aus Unternehmenssicht auf und riet zu einer transparenten Protokollierung der ergriffenen Maßnahmen und ihrer Beweggründe. Die Schwierigkeiten des Einzelfalles führten ggf. zur Einschaltung externer anwaltlicher Berater. Den Abschluss interner Ermittlungen müssten geeignete und angemessene organisatorische, disziplinarische, rechtliche oder rein präventive Maßnahmen bilden. Insbesondere setzte sich Lubba – auch mit Blick auf den folgenden Vortrag – mit dem Für und Wider der (frühzeitigen) Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden auseinander. Abschließend ging auch Lubba aus Sicht des Unternehmens auf einzelne Problemfelder interner Ermittlungen ein. So gab er Einblicke in das taktische Vorgehen etwa bei anonymen und/oder pauschalen Hinweisen sowie die Vorbereitung von Mitarbeiterbefragungen aus Sicht eines Unternehmens.

Den Abschluss des praktisch ausgerichteten Blockes bildete der Vortrag von Frau Staatsanwältin Dr. Darya Alikhani-Hooma, Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Dr. Alikhani-Hooma ergänzte die bisherigen Vorträge um den Blickwinkel der Staatsanwaltschaft. Sie führte zunächst in den von internen Ermittlungen unabhängigen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensgang ein, um sodann interne Ermittlungen aus staatsanwaltschaftlicher Sicht zu bewerten. Zunächst hielt sie fest, dass interne Untersuchungen durch die Behörden freilich nicht beschränkt werden könnten. Allerdings könnten sich aus ihnen verschiedene Gefahren für das Strafverfahren ergeben, die von einer Voreingenommenheit oder Warnung von Zeugen, Gefährdung des Erfolgs weitergehender staatlicher Ermittlungsmaßnahmen bis zu Beweisverwertungsverboten reichten.

Dr. Alikhani-Hooma untersuchte schließlich die Strafbarkeit des Handelns interner Ermittler nach dem StGB und strafrechtlichen Nebengesetzen.

In ihrer Gesamtbewertung plädierte sie für eine frühzeitige Einbindung der Staatsanwaltschaft durch das Unternehmen, weil die Gefahren interner Ermittlungen für das Strafverfahren deren Vorteile überwögen.

Auch im Anschluss an diesen Themenblock entwickelte sich eine rege Diskussion mit dem Publikum. Dabei wurde sich insbesondere über die Auswirkungen von Compliance-Programmen auf die Zumessung des Bußgelds gegen das Unternehmen, die Einbindung des Betriebsrats bei internen Untersuchungen sowie die besonderen Herausforderungen internationaler Sachverhalte ausgetauscht, was sich bis in die nachfolgende Kaffeepause erstreckte.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Rechtsprechungsüberblick. Frau Richterin am OLG Kornelia Toporzysek, OLG Düsseldorf, referierte über ausgewählte Fragen aktueller Entscheidungen des OLG Düsseldorf. Toporzysek stellte drei aktuelle Urteile jeweils auf das Wesentliche gekürzt dar und erläuterte die Entscheidungen des Gerichts. Sie besprach das Urt. v. 10.03.2016, I-6 U 89/15, GmbHR 2016, 542 ff., das Urt. v. 15.01.2015, I-6 U 84/14, AG 2016, 410, und das Urt. v. 01.10.2015, I-6 U 169/14, veröffentlicht in juris (anhängig beim BGH, II ZR 319/15).

Die abschließende Diskussion fokussierte sich auf den zweiten der vorgestellten Fälle. Hauptsächlicher Diskussionsgegenstand war die Frage nach praktischen Lösungen für die vom Gericht als zu „generalklauselartig“ angesehene streitgegenständliche Satzungsbestimmung.

Die Veranstaltung klang mit einem geselligem Umtrunk und einem Imbiss aus.

 

Die Videoaufzeichnungen der Vorträge aus dem ersten Block können undefinedhier in der Mediathek der Heinrich-Heine-Universität angesehen werden.

 

Fotos und Videobeiträge: Michaela Kyere, MMZ – Multimediazentrum, HHU