Vor großem Publikum diskutierte am Mittwoch, den 09.06.2010, unser Forum Unternehmensrecht das insbesondere politisch aktuelle Thema:
"Neue Regeln für den Aufsichtsrat - Professionalisierung, Diversity, Beteiligung von Frauen".
Zur Einstimmung hielten Frau Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung an der Universität zu Köln und Herr Ministerialrat Prof. Dr. Ulrich Seibert, Leiter des Referats für Gesellschaftsrecht im Bundesministerium der Justiz und Direktor des Institutes für Unternehmensrecht zwei ebenso informative wie unterhaltsame Vorträge.
Zuerst informierte Prof. Seibert über die Aktivitäten des Gesetzgebers im Bereich der Modernisierung des Aufsichtsratsrechtes. Das Handlungsinteresse des Gesetzgebers beruhe auf einer sehr geringen Beteiligung von Frauen in Führungsgremien. Betroffen sei insbesondere die Kapitalseite der Aufsichtsratsgremien trotz zunehmender Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit, obwohl es diesbezügliche Selbstverpflichtungen der Wirtschaft gegeben habe. In diesem Kontext hob Prof. Seibert insbesondere Erwägungen zur Diskriminierungsbehebung sowie volkswirtschaftlicher Natur hervor und verwies auf entsprechende Regelungen im europäischen Ausland. Wichtiger Regelungsaspekt gesetzlicher Quoten sei die Frage der Sanktion bei Verstößen. Schließlich wies Prof. Seibert auf im Detail bestehende Regelungsprobleme hin.
Anschließend referierte Frau Prof. Dauner-Lieb über Innovationen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). So sei der DCGK im Unternehmensinteresse überarbeitet worden, um zum Einen einen umfangreicheren und vielfältigeren Erfahrungsschatz unter den Aufsichtsratsmitgliedern zu erreichen und zum Anderen zukünftig eine angemessene Beteiligung von Frauen in Führungsgremien und insbesondere dem Aufsichtsrat zu gewährleisten. Hierzu diskutierte Frau Prof. Dauner-Lieb die Regelungen des DCGK, welche die „gender diversity“ den Gesellschaftsorganen anvertrauen, sowie den Vorschlag einer zwingenden gesetzlichen Frauenquote in Anbetracht des Wettstreits von freiem Wettbewerb und Interesse an bzw. Notwendigkeit der Frauenförderung. Zu beachten seien vor allem und primär die unternehmensspezifischen, qualitativen Anforderungen an einen heterogen besetzten Aufsichtsrat, deren Verknüpfung mit einer genderspezifischen Diversitätsperspektive die eigentliche gesellschaftsrechtliche Herausforderung sei. Diese Herausforderung dürfte mit gutem Willen zu bewältigen sein.
Im Anschluss entwickelte sich unter der Moderation von Prof. Dr. Ulrich Noack eine kontroverse Diskussion über den Regelungsbedarf in Bezug auf Diversität bei der Besetzung von Gesellschaftsorganen im Lichte der Privatautonomie und die Rechtfertigung rechtsformspezifischer bzw. von der Börsenzulassung abhängiger Differenzierungen. Hervorgehoben wurde, dass eine auf den Aufsichtsrat beschränkte Geschlechterquote dann nicht zielführend sei, wenn bei der Besetzung des Aufsichtsrates der praktischen Vorstandserfahrung allgemeine Bedeutung beigemessen werde.